Über 80 Fahrradwohnwagen sind bei einem Treffen in Cronschwitz zu bestaunen.
Manche wiegen unbeladen nur um die 20 Kilogramm, andere bis zu 100. Manche entfalten sich raffiniert zu wahren Platzwundern, andere sind reduziert aufs Wesentliche – Platz, um sich lang zu machen. Sie bestehen aus den unterschiedlichsten Materialien, von Holz über Kunststoff oder Carbon bis Aluminium, sind zumeist Marke Eigenbau, und viele produzieren über Solarpanels sogar ihren eigenen Strom. Aber alle eint, dass sie sich ans Fahrrad anhängen und wahlweise mit reiner Muskelkraft oder unterstützt durch Elektromotor bewegen lassen.
Fahrradwohnwagen sind sicher eine Nische, im Wünschendorfer Ortsteil Cronschwitz waren sie am Wochenende in geballter Form und all ihrer Vielfalt zu erleben. Aus ganz Deutschland reisten Teilnehmer zum Fahrradwohnwagentreffen an der Gondelstation an, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und Interessierten ihre Fragen zu diesem besonderen Hobby zu beantworten. Während viele die teils langen Anfahrtswege dann doch lieber mit Kraftfahrzeug hinter sich brachten, gab es auch den ein oder anderen Teilnehmer, der mit Fahrrad und Fahrradwohnwagen anreiste.
Über 1000 Kilometer Anreise nur mit Muskelkraft bewältigt
Andreas Kurm etwa nahm auf der Strecke von Troisdorf bei Köln bis nach Wünschendorf noch einen „kurzen Umweg“ über Hamburg. Nur mit Muskelkraft kam er mit seinem selbstgebauten Gespann nach 14-tägiger Tour und über 1000 Kilometern in den Beinen am Zielort an. Seine Übernachtungen plante er spontan, manchmal am Wegesrand, manchmal auf dem Zeltplatz. Es ist diese große Freiheit, die viele der Teilnehmer des Treffens beschreiben. Und noch etwas eint die meisten von ihnen: Wie Andreas Kurm, der auf der Videoplattform Youtube täglich über seine Fahrt zum treffen berichtete, sind viele der Fahrradwohnwagen-Enthusiasten als Youtuber aktiv und über die Plattform vernetzt. Deshalb war das Treffen auch als privates Youtuber-Treffen deklariert.
„Von Verrückten für Verrückte – im positiven Sinn“, sagt Marco Düsterhöft. Mit Jörg Patzschke aus Zeitz hat der Magdeburger das mehrtägige Treffen mit organisiert. Während ersterer gerade das Wiegen der Anhänger moderiert, berichtet Düsterhöft, dass es das zweite Treffen dieser Art in Cronschwitz ist und man die Zahl von 30 Fahrradwohnwagen im Vorjahr mit diesmal über 80 Exemplaren nahezu verdreifachen konnte. Auch die Zahl der Gäste sei deutlich gestiegen. Ein vergleichbares Treffen in Deutschland sei ihm nicht bekannt.
Da pflichtet Jörg „Skowi“ Skowronek bei, ein Pionier der Szene, der mit seinen selbstgebauten Mini-Wohnwagen auch schon in mancher TV-Sendung zu sehen war. Einige seiner Fahrradwohnwagen seien auch international unterwegs. Beim Treffen war er aber als Gast, mit einer Konstruktion aus seiner Schmiede war aber Natalia aus Nordrhein-Westfalen angereist, inklusive ihrer Hunde.
„Es geht um Freiheit“, sagt Oliver Gilles, Fahrzeugbauer und E-Bike-Konstrukteur aus Pfungstadt, der über 400 Kilometer mit seinem technisch ausgeklügelten Fahrradgespann anreiste. „Man ist autark und auf nichts weiter angewiesen als Wasser und Nahrung“. Auf der einen Seite die Technik, das Bauen und Tüfteln, auf der anderen Seite die Nähe zur Natur und das Erreichen von Plätzen und Wegen, die einem mit Auto, Wohnmonil und Co. versperrt bleiben, das macht für Raphael Vogel aus der Nähe von Heidelberg die Faszination Fahrradwohnwagen aus.
Bei der Frage nach der rechtlichen Situation ist immer wieder der Satz zu hören, dass es hier einige Grau-Bereiche gebe, was das Übernachten im Freien außerhalb von Camping- oder Zeltplätzen angehe. So wird mehrfach der Unterschied zum Campen hervorgehoben, wenn man den Fahrradwohnwagen rein zum Schlafen nutzt und sich nicht mit Tisch, Stühlen und ähnlichem ausbreite. Naturschutzgebiete und Privatgrund ohne vorherige Zustimmung seien tabu. Technisch seien Fahrradwohnwagen Fahrradanhänger, erklärte Jörg Skowronek, mit entsprechenden Anforderungen etwa an Räder, Anhängerkupplung oder Reflektoren.
Bilder + Text: Otz.de