Foto: Reinhard Krüger
VERANSTALTUNG „Einfach stehenbleiben, wo man will“: In Merkendorf trafen sich die Fans von Fahrrad-Wohnwagen.
Reinhard Krüger
Mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, ist schon was Gutes. Kein CO₂-Ausstoß, gut für Herz und Lunge und die Landschaft fliegt nicht an einem vorbei, sondern lädt zum Genießen und Verweilen ein. So weit, so undramatisch. Wenn aber das eigene Übernachtungsquartier gleich mit von der Partie ist, dann ist das Staunen groß. So kürzlich gesehen im Freizeitzentrum Weißbachmühle vor den Toren von Merkendorf. Dort trafen sich kürzlich über 40 Fahrrad-Wohnwagen-Fahrer und Fahrerinnen (Fawowa) kreuz und quer aus der Republik zu ihrem jährlichen Deutschlandtreffen. Ein Besuch bei einer ganz besonderen Spezies von Menschen.
Wo sie auftauchen, bleiben Menschen stehen, gehen neugierig auf die Strampler mit dem ungewöhnlichen Aufbau zu, zücken die Handy-Kamera, machen Selfies und verwickeln die Fahrer in ein Fachgespräch: „Und da kann man wirklich drin schlafen?“ fragt eine ältere Frau an der Promenade in Gunzenhausen Martin Frank. „Nicht nur gut, sondern richtig supergut“, antwortet dieser. Der 46-jährige ist mit seinem 14-jährigen Sohn Felix unterwegs nach Merkendorf.
Bundesweite Treffen
Martin Frank ist kein Unbekannter in der Fawowa-Community, hat er nach Pappenheim im vergangenen Jahr auch dieses bundesweite Treffen wieder in die Altmühlfranken-Region gelockt. Und weil er seine eigene Begeisterung für diese Art der Fortbewegung kaum zügeln kann, baute er zusammen mit seinem Ältesten für diesen auch so ein Teil. Die letzten Monate schraubten, sägten, nieteten, maßen und hämmerten Vater und Sohn einen ultraleichten Aufbau in der Garage im heimischen Graben bei Treuchtlingen. Dann war es endlich so weit: Vater und Sohn sagten Mutter Yasmine und den Geschwistern Silas und Romy Ade und strampelten gen Merkendorf.
Knapp 50 Kilo wiegt so ein Teil mit Matratze, Decke und was sonst noch mitgenommen wird. „Felix fährt mit seinem Biorad“, sagt der stolze Papa und meint damit die nicht vorhandene Elektro-Unterstützung. Er selbst lenkt zwar ein E-Bike, verzichtet aber freiwillig auf diese Art von Hilfe, „schließlich wollen wir am gleichen Strang ziehen.“ Die beiden waren sicherlich das ungewöhnlichste Paar, dass sich bei bestem Sommerwetter im idyllisch gelegenen Campingplatz in der Krautstadt einfand.
Über die Alpen bis nach Nizza
Die allermeisten radelten alleine. So wie Richie, den alle nur Feuerreiter nennen. Der 66-jährige Fernmeldetechniker aus der Nähe von Fürstenfeldbruck reitet am liebsten mit seinem Trakehner-Araber-Pferd über die Alpen bis nach Nizza, doch ein Film auf YouTube über Fahrräder mit Wohnanhänger „hat mich total angefixt“, gibt er offen zu. So was will ich auch bauen, sagte er sich - „und jetzt bin ich da“. Und warum? „Stehenbleiben wo man will“, heißt die prompte Antwort.
Es ist offenbar diese Mischung aus purer Abenteuerlust, gepaart mit handwerklichen Fähigkeiten und bewusstem Umgang mit Natur und Klima, die diese Menschen faszinieren. So einer ist Andreas Rackel aus der Nähe von Regensburg. Der 53-jährige Instandhaltungsmechaniker stammt ursprünglich aus dem sächsischen Görlitz, hat nicht nur seinen Wohnwagen selbst zusammengebaut, sondern auch noch ein dazu passendes Liegefahrrad mit Elektromotor. Er radelt mit drei Reifen, hat dank Solarpaneele „völlige Freiheit ohne Rücksichtnahme.“ Wenn er so auf kleinen Nebenstraßen dahingleitet, nimmt er Wiesen, Felder und Bäume wie durch ein riesiges Panoramafenster wahr, „nur viel schöner“, sagt er.
Daneben gibt es auch Exotinnen wie Luzia aus Winterthur im Schweizer Kanton Zürich. Sie radelt nie ohne ihre Carbongeige. Sie packt die Geige aus und schon erklingen wunderschöne Melodien. Oder Andreas (64) aus dem Main-Tauber-Kreis: Er leidet an einer speziellen Form der MS und kann sich nur noch mit einem Dreirad fortbewegen. Für ihn kein Grund, aufzugeben: „Solange es noch geht, will ich dabei sein“, lautet seine Durchhalteparole. Über ein Jahr hat er an seinem Wohnwagen „geschraubt“, weil seine bereits geschädigten Finger nicht mehr alles mitmachen, erzählt er freimütig.
Eine verschworene Gemeinschaft sind diese Radler, erzählen die Organisatoren Martin Frank und sein Kumpel Wolfgang Moog. Der frühere Drucker beim „Altmühl-Boten“ kam ebenfalls mit einem Liegenrad zum Treffen. „Helfen und beraten“ heißt die Devise der Fawowa-Leute. Durch das digitale Forum wurde der Trend bekannt, die Lust sich zu treffen, um sich auszutauschen oder die neusten Tipps zu diskutieren, wächst. Einer ist bestimmt wieder dabei: Felix aus Graben. „Voll super“ waren die zwei Nächte inklusive des ganzen Drumherums. “. Er hat Lust bekommen, das weiter auszuprobieren, was sein Vater ihm vorgelebt hat.