Hallo zusammen,
grundsätzlich sollte es stimmen, dass die Kreher-Form mit der Schrägen nach vorne aerodynamisch mehr Luftwiderstand poduziert als mit der gerade Seite nach vorne. Dass es "schade" sei (Video min. 18:00), dass diese Anhängerform grundsätzlich nachgebaut wird erschließt sich mir aber nicht. Sie ist halt in keinster Weise auf Luftwiderstand hin optimiert (auf Optik übrigens genausowenig). Das war bei Kreher auch nie ein Thema wenn ich mich recht entsinne. Für mich bei meinem Nachbau war es das jedenfalls definitiv nicht, da standen bei mir ganz andere Dinge im Vordergrund. So z.B. die Tatsache, dass ich ihn überhaupt mit einfachen Mitteln bauen kann und er stabil+leicht für seine Größe wird.
Drei Dinge stoßen mir allgemein sauer auf:
"Die Schräge hinten produziert Vorschub"
Solche Formulierungen sind ganz dünnes Eis.
Olli ist (meines Wissens nach) Ingenieur, korrigiert mich gerne wenn ich falsch liege. In jedem Fall hat er bei seiner Äußerung mit dem Vorschub wie ein Ingenieur gedacht und in diesem Moment sein Bilanzsystem nur um die hintere Fläche gesetzt. Das kann man machen bzw. tut es automatisch, wenn man eben in der Materie drin steckt und eben technisch denkt. Er hat es ja auch richtig abgegrenzt im Video. Wer das aber ohne entsprechendes Hintergrundwissen liest oder hört, wird ganz schnell auf die absurdesten Ideen kommen. Am Ende wird jemand behaupten, dass der gesamte Anhänger in irgendwelchen Gegenwindsituationen Vortrieb liefern kann, weil er es irgendwo so gehört hat (stille Post Prinzip).
Verhältnismäßigkeiten Teil1
Ist wohl eh der Kernpunkt der Diskussion. Die einen sagen, es macht einen großen Unterschied, die anderen ignorieren das Thema völlig. Im Video wurden zwei Windgeschwindigkeiten (80 km/h bei und 40 km/h bei ca. Minute 18:10) genannt. Da reden wir laut Beaufort-Skala von Stufe 6 (starker Wind) bis Stufe 9 (Sturm). Ja natürlich spürt man dann bei den im Video auch noch zusätzlich angesetzten 25km/h frontal gegen den Wind fahrend ganz erhebliche Windlasten. Und bei Windstille mit gemütlichen 15 km/h spürt man eben keine nenenswerte Windlast. Der Alltag liegt dann irgendwo dazwischen. Aber das Thema ist weder komplett zu vernachlässigen noch muss man zwangsweise seinen gesamten Aufbau danach ausrichten. Es ist schlicht in einem Bereich wo beide Ansätze ihre Gültigkeit haben.
Verhältnismäßigkeit Teil2
Was irgendwie zusätzlich immer unterzugehen scheint: Auch eine aerodynamisch optimierte Form produziert Widerstand. Entscheidend ist also das Verhältnis des Windwiderstand einer unoptimierten zu einer optimierten Anhängerform. Und im zweiten Schritt die Frage: Welche sonstigen Nachteile bringt mir die aerodynamisch optimierte Formgebung (Bauaufwand, Kosten, Gewicht, Steifigkeit, Abmessungen, Auslegungsaufwand usw.) im Verhältnis zum gewonnenen Mehrwert?
Im Studium pflegte einer meiner Professoren (Vorlesung: Auslegung der Struktur von Leichtflugzeugen) stets zu sagen: Motor ist billiger als Struktur. Und dieser Spruch zielte genau auf diese Verhältnismäßigkeiten an: Manchmal ist es billiger, einfach mehr PS einzubauen, als im Vorlesungsfall das Geld für eine höhere Flügelstreckung (=weniger induzierter Widerstand) und die dafür notwendigen Strukturbauteile zu investieren. Dies kann sich auch auf unsere Anhänger übertragen lassen, wo es in manchen Fällen billiger sein kann, mehr Akku mitzunehmen und eine hörere Motorunterstützung zu wählen, als den Aufwand und die Kosten einer aerodanmischeren Formgebung einzugehen.
Und genau dies ist wohl auch eines der Hauptargumente, wieso so viele Anhänger nicht aerodynamisch optimiert werden. Unterm Strich lohnt es sich für viele Eigenbauer wohl einfach nicht. Auf meinen Anhänger trifft es so jedenfalls zu.
@pamojja
Wenn ich dich richtig verstehe stimmst du nicht zu, dass das "Kreher-Design" mit der Schrägen nach vorne einen größeren Luftwiderstand aufweist als mit der flachen Seite?
Ich habe gerade nochmal in meinen Studienunterlagen gesucht aber ein ganz bestimmtes Schaubild mit den Widerstandsbeiwerten diverser, umströmter Körper leider nich auf die Schnelle gefunden. Dort war meine ich auch eine Keilform dabei. Von daher bleibt mir zunächst erstmal nur soviel zu sagen, dass der Widerstand eines umströmten Körpers nicht nur von der Stirnfläche abhängt. Das Abströmverhalten und somit die hintere Formgebung trägt ebenfalls wesentlich zum Widerstandsbeiwert bei.
Als Faustregel kann die Tropfenform ("Teardrop" von Olli genannt) als Widerstandsoptimierte Form angesehen werden. Mit der flachen Seite nach vorne kommt der "Kreher" näher an diese Formgebung heran als mit der schrägen Seite. Diese sehr vereinfachte Art der Betrachtung ist für mich auch die Grundlage, Ollis Äußerungen erstmal zuzustimmen.
Wie groß das Widerstandsverhältnis der beiden Fahrtrichtungen (Schräge vorn vs. Gerade vorn) kann ich nicht sagen. Um dies grob abzuschätzen könnte man mal eine CFD-Simulation anwerfen, hier gibt es auch kostenlose Software wie OpenFOAM. Ich selbst bin leider nicht mit dieser Software vertraut und mag mich gerade auch nicht in diese einarbeiten. Alternativ könnte ich die Anhängerform mal in XFLR5 bzw. XFOIL (2D) werfen und den Widerstandsbeiwert ausspucken lassen wenn du möchtest. Wobei dieses auf der Panelmethode beruht von welcher welche bei der speziellen Formgebung keine sehr realitätsnahen Berechnungen erwarte, insofern die Berechnung überhaupt konvergiert.
Edit: Gerade in XFOIL auf die Schnelle versucht und aufgrund der großen Stirnfläche konvergiert die Berechnung nicht. Das Programm ist auf Flügelprofile ausgelegt, daher habe ich sowas leider schon erwartet. Wirklich nützlich wäre das Ergebnis für die Diskussion hier aber eh nicht gewesen.
In Summe ist das Thema "Aerodynamik" leider unheimlich komplex und in der handweklichen Umsetzung hat man keine andere Wahl, als ein Gefühl für die Formgebung zu entwickeln und sich auf Faustformeln und Bauernregeln zu stützen (abgerundete Ecken, Tropfenform, keine konkaven Flächen im stirnbereich [Windsack] usw.). Ich vermute das macht es zusätzlich so brisant..
In Summe stimme ich dir aber zu, dass im Fahrradwohnwagenbereich irgendwie häufig irgendwelche Dinge von irgendwelchen Experten etwas kopflos nachgeplappert werden. Wobei ich mich damit jetzt ganz ausdrücklich nicht auf Olli oder diesen Thread hier konkret beziehe! Aber ich kann deinen Frust den ich herauslese nachvollziehen und versuche deshalb auch selbst z.B. in meinen PDF-Ausarbeitungen oder auch in Rechtsthemen so gut es geht Quellen anzuführen oder Dinge richtig zu stellen, die mich selbst aufgrund von Fehlinformation Zeit und Nerven gekostet haben..
Naja, vielzuviel Text geworden 😅Sorry dafür 😆